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Schwester-Neri-Straße

Dieser Bericht erschien am 12. Juli 2022 im "Dieburger Anzeiger".


Schwester Neri

Vielen betagten Dieburgern ist Schwester Neri noch in guter Erinnerung. Sie wohnte zusammen mit ihrer leiblichen weltlichen Schwester Alexia im damaligen „Cafe Mayer" und wurde aus der Küche des ehemaligen Bischöflichen Konvikts versorgt. Schwester Neri, die dem Institut der Englischen Fräulein angehörte, wird als kleine, zierliche Person mit strengen Erziehungsmaßnahmen und großem Durchsetzungsvermögen beschrieben. Besonders Mädchen, die Hosen trugen, waren ihrem Tadel ausgesetzt und sogar von manchen Veranstaltungen ausgeschlossen. Aber wie sollte man als aktives Mitglied im Turnverein ohne diese Sportkleidung auskommen? Einer Diskussion darüber ging die Nonne wohl mit viel Autorität aus dem Weg.
Auch die Art, die Jugendlichen für den Gottesdienstbesuch zu motivieren, lässt heute noch viele Dieburger schmunzeln: So gab es am Ende des Gottesdienstes ein kleines viereckiges Pappkartonstückchen, ein sogenanntes „Löbchen" und für zehn „Löbchen" gab es ein „Lob" - das war ein buntes Heiligenbildchen. Und man freute sich in den Wirren der tristen Nachkriegsjahre tatsächlich über ein kleines buntes Bildchen, das die „heile Welt" zeigte.
Aber der „Neri-Ball", ein gesellschaftliches Ereignis zur Förderung der Gemeinschaft, ist allen in positiver Erinnerung geblieben. Die alljährliche Veranstaltung begann stets mit einer Polonaise, es gab kleine Sketche und Ratespiele und natürlich wurde eifrig getanzt. Und dieser „Ball" hatte sich so etabliert, dass er auch nach dem Weggang von Schwester Neri noch stattfand. Schwester Mater Neri hieß mit bürgerlichem Namen Christina Franziska Karolina Weber und wurde am 14. Oktober 1879 als Tochter des Lokomotivführers Matthias Karl Weber und seiner Ehefrau Maria Anna Bode in Frankfurt geboren. Mater Neris Leben war voller Tätigkeitsdrang und reich an vielseitigem Wirken. Nach ihrem Eintritt in den Orden der „Englischen Fräulein" (Maria-Ward-Schwestern) im Jahre 1904 legte sie im März 1910 ihre Prüfung als „Lehrerin der weiblichen Handarbeiten" ab und lehrte in den Institutshäusern Mainz, Darmstadt und Bensheim. Auch die Befähigung, katholische Religion zu unterrichten, die „missio canonica", wurde ihr vom Bischöflichen Ordinariat erteilt.

Aber die Vermittlung fachlichen Könnens allein genügte ihr nicht. Sie wollte ihre pflegerische Begabung ebenfalls anwenden. So legte sie 1929 in Bad Wörishofen mit „sehr gut" ihre Prüfung als „Kneipp'sche Bademeisterin" ab. Außerdem kannte sie sich mit der Heilkraft vieler Pflanzen und Stoffe in der Natur aus und wendete das auch erfolgreich an.
Mit Beginn des Krieges war sie zunächst für zwei Jahre in einem Mainzer Lazarett eingesetzt; anschließend arbeitete und wirkte sie als Oberschwester im Reserve-Lazarett Himmerod/Wittlich. Stabsärzte und Vertreter des DRK bescheinigten ihr sehr gute Führung und Zusammenarbeit und dass sie bemüht war, ,,sich mit liebenswürdiger Energie und Gerechtigkeit in ihrer verantwortungsvollen Stellung durchzusetzen."
Als zu Beginn des Jahres 1944 der damalige katholische Stadtpfarrer Geoerg das Ordinariat darum bat, ihm einen Seelsorgehelfer zuzuteilen, übernahm die damals 65-Jährige diese Aufgabe. Mater Neri trat am 1. Juni 1944 ihren Dienst in Dieburg an und erhielt im ersten Jahr ein monatliches Anfangsgehalt von 150 RM (Reichsmark). Danach erhöhte sich ihr Einkommen auf 180,00 RM brutto.
Ihr Aufgabenbereich beinhaltete laut Dienstvertrag den Religions- und Konvertitenunterricht, das Schmücken der Kirchen, die Gruppenarbeit mit der Jugend und das Planen und Durchführen von Ferienfreizeiten.
Nach fast fünf Jahren sehr engagierter Arbeit in der Pfarrgemeinde St. Peter und Paul musste sie krankheitsbedingt Dieburg verlassen. Im Nachruf des Instituts der Englischen Fräulein ist zu lesen: ,,Mater Neri wollte noch nicht rasten, erst als Gott durch die schwere Krankheit sie stilllegte, kehrte sie ins Mutterhaus zurück."
Schwester Mater Neri verstarb am 26. Juli 1952 im Hildegardiskrankenhaus in Mainz.

Bild:
Unsere Pfarrei zwischen Gestern und Morgen, Chronik der Pfarrei St. Peter und Paul, 1966